Diese Fotos nahm der Pressefotograf Günter Zint am 11. Mai 1968 in Paris auf. Sie sind Teil einer Serie von Bildern, mit denen Zint die Spuren der vorangegangenen „Nacht der Barrikaden“ dokumentierte.
Nach der gewaltsamen Räumung der von Studierenden besetzten Pariser Sorbonne am 3. Mai 1968 durch die Polizei war es in der französischen Hauptstadt zu zahlreichen Demonstrationen gekommen, an denen sich z.T. mehrere zehntausend Personen beteiligten. – darunter nicht nur Studierende, sondern auch Schüler*innen, Auszubildende, Arbeiter*innen und Migrant*innen.
Sie erhoben konkrete Forderungen wie die Demokratisierung der Hochschulen und anderer politischer und gesellschaftlicher Institutionen, ihr Protest richtetet sich aber auch allgemeiner gegen die autoritären Strukturen der Gesellschaft, die geistige und moralische Enge der bürgerlichen Kultur und den Materialismus der kapitalistischen Wohlstandsgesellschaft.
Am 10. Mai versuchten Studierende und Schüler*innen im Anschluss an eine große Demonstration, das Studierendenviertel „Quartier Latin“ zu besetzen und errichteten, nachdem die Verhandlungen mit der Leitung der Sorbonne über die Wiedereröffnung der Universität scheiterten, zahlreiche Barrikaden. In der Nacht stürmte die Polizei das Viertel und schlug die Proteste gewaltsam nieder. Angesichts der Brutalität des Polizeieinsatzes solidarisierten sich die französischen Gewerkschaften mit dem Protest und riefen zu einer 24-stündigen Arbeitsniederlegung aus, die sich in den folgenden Tagen zu einem Generalstreik ausweiten sollte, der die die französische Wirtschaft wochenlang lahmlegte. Auch international löste der Pariser Mai 1968 eine Welle der Solidarität aus und inspirierte sozial- und kulturrevolutionäre Bewegungen rund um den Globus.
Die Bilder, die Günter Zint am 11. Mai in Paris aufnahm, zeigen nicht nur die Reste der Barrikaden, aufgerissenes Straßenpflaster und ausgebrannte Autos, sie dokumentieren auch die Reaktionen der Pariser Bürger*innen. Während sich die einen scheinbar ungerührt ihren Weg durch die Trümmer bahnen, halten andere inne, um die Spuren dar Nacht zu betrachten, diskutieren mit anderen Passanten, posieren für Fotos, beginnen mit Aufräumarbeiten oder regeln den Verkehr.
Julia Hörath
Dr. Julia Hörath ist Politologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hamburger Institut für Sozialforschung.