Bei dem Transparent „Antizionismus und Antisemitismus bekämpfen – Solidarität mit Israel“ handelt es sich um ein spannendes Exponat neuerer linker Bewegungsgeschichte. Angelehnt an die Ästhetik maoistischer Gruppen der siebziger und achtziger Jahre, steht es jedoch inhaltlich für die Auseinandersetzungen um israelbezogenen Antisemitismus (auch in der Linken) und die Positionierung zum Staat Israel, wie sie in der radikalen Linken zu Beginn der 2000er-Jahre geführt wurden.

Großes rotes Stofftransparent mit gelber Aufschrift "Antizionismus und Antisemitismus bekämpfen - Solidarität mit Israel"
Mit fast 6 Quadratmetern eine der größten Archivalien im HIS-Archiv - Das Transparent der Kommunistischen Initiative Dortmund von 2004.

Das Transparent stammt von der „Kommunistischen Initiative Dortmund“ (KI DO), welche zwischen 2002 und 2006 Teil der relativ starken antideutschen Strömung im Ruhrgebiet war. Diese Gruppe trat mit dem Anspruch auf, antifaschistischen Straßenaktivismus mit revolutionärer Theoriearbeit zu verbinden. Einen inhaltlichen Orientierungspunkt bot hier die Kritische Theorie, welche durch Veranstaltungen als Mittel gesellschaftlicher Erkenntnis und revolutionärer Theorie propagiert wurde. Ihre Veranstaltungen und Texte beschäftigen sich maßgeblich mit der deutschen Vergangenheitspolitik, der Friedensbewegung, der Kontinuität antisemitischer Bedrohungen und der für die KI DO daraus resultierenden Notwendigkeit einer Solidarisierung mit dem Staat Israel. Für die Gruppe bestand das Ziel ihrer Politik in kommunistischer Tradition zwar nach wie vor in einer Überwindung von kapitalistischen Verhältnissen und ihren nationalstaatlichen Ausprägungsformen, bis zu dieser Überwindung gelte es für Kommunist*innen jedoch Israel als jüdische Selbstverteidigungsinstanz gegen den weltweiten Antisemitismus zu unterstützen:

„Nach dem Scheitern des kommunistischen Experiments und nach der Shoah, der Vernichtung des europäischen Judentums durch die Deutschen und ihre Hilfsvölker, ist Israels Armee, die staatlich organisierte zentrale Verteidigungsinstanz des Judentums gegen die antisemitische Raserei. (…) Deswegen ist der Kampf um die vernünftige Gesellschaft, die eine emanzipierte erst dann wäre, wenn man ohne Angst verschieden sein kann, untrennbar mit der bedingungslosen Solidarität mit Israel und seinen bewaffneten Organen verbunden.“
KI Dortmund. Flugblatt zur Antifa-Demo am 17.1.2004 in Hamm.

Die Gruppe beteiligte sich mit dem Transparent unter anderem an der Kundgebung „Fence Out Terror“ am 5.  Juni 2004 in Köln, bei der es sich um eine Gegenveranstaltung zur internationalen Konferenz „Stop the Wall“ im Rahmen der „Kampagne gegen die Apartheidmauer in Palästina“ handelte. Der Aufruf zur Gegenveranstaltung wurde von allen namhaften Gruppen der antinationalen und antideutschen Strömung in der Bundesrepublik und darüber hinaus unterzeichnet.

Einen Wendepunkt stellte für die KI DO der Mord am Punk Thomas „Schmuddel“ Schulz durch einen lokalen Neonazi an Ostern 2005 dar. Das schon seit längerer Zeit in Dortmund bestehende Naziproblem, wo Zeitweise ganze Stadtteile zum selbsternannten „Nazikiez“ deklariert wurden, war nicht mehr von der Hand zu weisen. Die dringende Notwendigkeit einer Fokussierung auf Aktivitäten gegen militante Neonazis in Dortmund führte letztlich zur Selbstauflösung der Gruppe, deren ehemalige Mitglieder sich in großen Teilen wieder eher klassischer Antifa-Arbeit zuwendeten. Das Transparent kam zu keinem weiteren öffentlichen Einsatz und wurde im Jahr 2019 von einem ehemaligen Gruppenmitglied an das Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung übergeben.

(PB, 6.5.2021)