Kulturgüter unter Beschuss

Seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine sind auch ukrainische Kulturgüter im wahrsten Sinne des Wortes unter Beschuss. Historische Gebäude und Denkmäler, Archive und Bibliotheken, Museen, Gedenkstätten, archäologische Grabungsorte, Galerien… immer wieder werden solche Einrichtungen zu Kollateralschäden oder gar bewusst angegriffen.
Zum Beispiel wurde beim Beschuss des Fernsehturms in Kiew Anfang März 2022 auch das benachbarte Geländer der Holocaust-Gedenkstätte Babyn Yar getroffen. In der Stadt Tschernihiew wurden das Archiv des ukrainischen Sicherheitsdienstes vom russischen Militär wohl absichtlich zerstört, weil die Bestände für Moskau prekäre Unterlagen über den sowjetischen Sicherheitsdienst enthielten. Oder wie der Osteuropa-Historiker Martin Schulze Wessel formuliert: „Russische Truppen führen eben nicht nur einen militärischen Krieg, sondern auch einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung und einen Krieg gegen das kulturelle Erbe der Ukraine.“ Auch gibt es Berichte, dass – wie in Melitopol –  Museen gezielt geplündert und wertvolle Kunstwerke geraubt werden.  Museumsmitarbeiter*innen, die nicht mit den russischen Besatzer*innen kooperieren, werden bedroht oder verschwinden.

Hilfsinitiativen in der und für die Ukraine

Von der Webseite des Museum Crisis Centre: Eine Auswahl der unterstützten Museen

Der Unterstützung ukrainischer Museen hat sich das Museum Crisis Centre (https://www.mccukraine.com/) verschrieben. Hier geht es besonders um schnelle „Erste Hilfe“ für kleinere Museen und Gedenkeinrichtungen und ihre oft ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen – sei es durch Materialien zur Absicherung beschädigter Gebäude, Verpackungsmaterialien für gefährdete Exponate oder Arbeits- und Kommunikationsmittel für die Menschen, die sich teils unter widrigsten Bedingungen um Kulturgüter kümmern.
Ein Beispiel ist das städtische Museum in Lysychansk bei Luhansk, wo Mitarbeiter*innen unter russischer Besatzung versuchen, die Sammlungen vor Schaden zu bewahren. Aus Deutschland unterstützt wird das Museum Crisis Centre unter anderem vom Verein MitOst e.V. (https://www.mitost.org/), über den auch Spenden für die „Museumsambulanz“ gesammelt werden.

Um Hilfe für die vom Krieg besonders betroffenen ukrainischen Archive bittet die Staatliche Archivverwaltung der Ukraine. Eingehende Geldspenden dienen der Wiederherstellung der Arbeitsmöglichkeiten beschädigter Einrichtungen und dem Schutz des Archivgutes.

Geld- und Sachspenden für ukrainische Archive nehmen in Deutschland unter anderem entgegen:

 Auf Bundesebene hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur das Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine ins Leben gerufen, das Informationen zu der Lage der Kultur und den handelnden Personen in der Ukraine sowie zu den in Deutschland bestehenden Hilfsbedarfen und -angeboten sammelt und koordiniert. Zentrale Schaltstelle und Ansprechpartner des Netzwerks ist ICOM Deutschland, das bereits eine zentrale Webpage eingerichtet hat. Im Netzwerk kooperieren neben dem internationalen Museumsbund ICOM auch das Deutsche Nationalkomitee von ICOMOS für den Bereich der Welterbestätten und des baulichen Erbes, die Deutsche Nationalbibliothek für die Bibliotheken, das Bundesarchiv für den Archivbereich, sowie das Deutsche Archäologische Institut, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Kulturstiftung der Länder und die Deutsche UNESCO-Kommission.

SUCHO - Eine digitale Rettungsaktion

Aber auch ganz praktisch können Interessierte bei der Bewahrung ukrainischen Kulturerbes mithelfen, und dafür sind nicht viel mehr als ein Internetanschluss und etwas Zeit notwendig. SUCHO, die Initiative „Saving Ukrainian Digital Heritage Online“, entstand bereits wenige Tage nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine. Es wurde nämlich schnell deutlich, dass nicht nur physisches Kulturgut durch die Invasion in Gefahr war, sondern auch für die digitale Infrastruktur von Kultureinrichtungen – von Serven und Datenbanken bis hin zu virtuellen Sammlungen und Webauftritten – große Risiken bestanden (und weiterhin bestehen).

Logo der Initiative SUCHO
Das Logo von SUCHO

Die Idee hinter SUCHO ist, über das Kopieren von Webseiten von Museen, Archiven und anderen Kultureinrichtungen auch die dort digital präsentierten Sammlungen zu retten. Sollten durch die Zerstörung von digitaler Infrastruktur  in der Ukraine Daten wie z.B. digitalisierte Handschriften, Kunstwerke oder historischer Fotos, Archivkataloge, Online-Videos, Webseiten… verloren gehen, können diese Inhalte, außerhalb der Ukraine aufbewahrt, weiter genutzt und nach einem Ende des Krieges als digitaler Grundstock für den Wiederaufbau an die ukrainischen Kultureinrichtungen zurückgegeben werden.
Die Datenrettung erfolgt dabei durch ein weltweites Netzwerk von Freiwilligen, die dabei mithelfen, zu rettende Webinhalte zu identifizieren, diese mittels einer speziellen Software in einen Cloud-Speicher zu kopieren und die so gesammelten Daten zu sortieren, zu beschreiben und für die Nutzung zugänglich zu machen.

Inzwischen sind über 1500 Freiwillige an SUCHO beteiligt; seit März 2022 wurden über das Kopieren von ukrainischen Webseiten etwa 50 Terabyte an Daten gesichert. Die inhaltliche Spannbreite reicht dabei von  Sammlungen von Staatsarchiven zu Webseiten lokaler Museen, von virtuellen 3D-Touren von Bauwerken zu Audio-Aufzeichnungen, von Social Media und Memes zur digitalisierten mittelalterlichen Handschrift.
Außerdem koordiniert SUCHO die Beschaffung und Verteilung von Equipment, das es ukrainischen Kultureinrichtungen ermöglicht, Sammlungen zu digitalisieren und damit für den Fall der Zerstörung physischen Kulturguts zumindest digitale Kopien zu sichern.

Informationen über SUCHO und darüber, wie die Datenrettungs-Initiative durch ehrenamtliche Mitarbeit oder Spenden unterstützt werden kann, gibt es auf der SUCHO-Webseite (https://www.sucho.org/), sowie – mit etwas mehr technisch-organisatorischer Perspektive – in dieser Präsentation von der diesjährigen IIPC-Webarchivierungs Konferenz.

(SK)