Das Plakat, bei dem die Frage der Urheber*innenschaft bislang ungeklärt ist, entstand 1984 im Kontext der bundesdeutschen Sicherheitsgesetzgebung, des Volkszählungsboykotts und der Kritik linker Gruppen an der geplanten Einführung des elektronischen Personalausweises.
Bei dem Slogan „Modell Deutsche Gründlichkeit“ handelte es sich um eine polemische Wendung des SPD-Wahlkampfmottos für die Bundestagswahl 1976, bei dem die Partei mit der Devise „Weiterarbeiten am Modell Deutschland“ für sich geworben hatte. Innerhalb der Linken war das „Modell Deutschland“ schnell zum Synonym für die Sicherheitsgesetzgebung der Sozialliberalen Koalitionen unter Willy Brandt und Helmut Schmidt geworden.
In der Kritik standen Maßnahmen wie die Berufsverbote nach dem „Radikalenerlass“ (1972), der Ausbau der Befugnisse der Polizei, z.B. der Legalisierung des „Finalen Rettungsschusses“ (ab 1973) sowie die Aufhebung der strikten Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten durch verstärkten Datenaustausch.
Auch die Schaffung der §§ 88a (verfassungsfeindliche Befürwortung von Straftaten, eingeführt 1976, abgeschafft 1981) und 130a (Anleitung zu Straftaten, eingeführt 1976, abgeschafft 1981, wiedereingeführt 2002) wurde mit großem Misstrauen beobachtet.
In der ersten Hälfte der 1980er Jahre, angesichts der Kampagnen zur Volkszählung und der Diskussion über ein neues Paket von „Sicherheitsgesetzen“, darunter das im März 1986 verabschiedete Personalausweisgesetz, warnten Kritiker*innen, der allumfassende Polizei- und Überwachungsstaat würde vorbereitet.
Das Schlagwort von der „Numerischen Volksgemeinschaft“ auf dem Plakat spielte auf die Seriennummer des geplanten elektronischen Personalausweises an und stellte gleichzeitig einen Zusammenhang zwischen dem Vorhaben einer elektronischen Erfassung der Bevölkerung und dem Nationalsozialismus her. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs hatten nationalsozialistische Statistiker mit dem Aufbau einer Reichpersonalnummernkartei begonnen – das Projekt konnte aufgrund der deutschen Kriegsniederlage aber nicht beendet werden.
Nach 1945 lebten ähnliche Bestrebungen wieder auf. 1976 erteilte der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages der Einführung eines unverwechselbaren „Personenkennzeichens“ in Gestalt einer Nummer zwar eine deutliche Absage. Nach Auffassung der linken Kritiker*innen unterwanderte aber die Seriennummer des geplanten elektronischen Personalausweises dieses Verbot, weil sie einmalig vergeben wurde und damit eben doch eindeutig einer Person zuzuordnen war. Die elektronische Datenspeicherung und Vernetzung, so fürchtete man, werde in Zukunft eine unkontrollierte „Ausforschung“ der Bürger*innen ermöglichen. Selbst die Fantasie – so scheinen die Gestalter*innen des Plakates zugespitzt suggeriert haben zu wollen – werde im „Modell Deutschland“ bald „verdatet“ und somit in eine eintönige Serie von Nullen und Einsen aufgelöst.
Wie der elektronische Personalausweis, so stieß auch die ursprünglich für 1981, dann für 1983 in der Bundesrepublik geplante Volkszählung auf heftige Kritik. Gegen das Volkszählungsgesetz wurden mehrere Verfassungsbeschwerden eingelegt, denen das Bundesverfassungsgericht in seinem richtungsweisenden Urteil vom 15. Dezember 1983 stattgab. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung war bestätigt; die Zensus-Befragung musste neu konzipiert werden, um eine Anonymisierung der Daten zu gewährleisten. Schließlich fand die Volkszählung 1987 statt – weiterhin begleitet von Protesten und Boykottaufrufen.
Julia Hörath
Dr. Julia Hörath ist Politologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hamburger Institut für Sozialforschung.