Der Antifa M Bestand setzt sich aus publizierten und persönlichen Unterlagen verschiedener Art zusammen, die vom LKA Sachsen-Anhalt und der Staatsanwaltschaft Göttingen bei Hausdurchsuchungen 1994 beschlagnahmt und darüber hinaus gesammelt wurden.
Ziel dieser Zusammenstellung war es, einer Gruppe von Personen gerichtlich nachzuweisen, dass sie Mitglieder der Antifa M waren, die gleichzeitig als kriminelle Vereinigung klassifiziert und verboten werden sollte.

Zu diesem Zweck sind insgesamt 45 Beweismittelordner angelegt worden, in denen einerseits die Struktur und Tätigkeit der Antifa M dokumentiert und andererseits die Aktivitäten einzelner Personen in diesem Gruppenzusammenhang belegt werden sollte.
Besonders interessant ist in diesem Kontext, dass die kriminellen Aktivitäten, die der Antifa M bzw. ihren vermeintlichen Mitgliedern in erster Linie zur Last gelegt wurden, Verstöße gegen das Demonstrationsrecht – wie das Durchführen nicht angemeldeter Versammlungen und Vermummungen bzw. sogenannte passive Bewaffnungen –  in einigen Bundesländern als reine Ordnungswidrigkeiten gelten.

Regalansicht der archivtypischen blaugrauen Boxen aus dem Antifa (M)-Bestand
Eine ungewöhnliche Geschichte: Der Bestand Antifa M im HIS-Archiv © Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung

Zudem wurde in einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht in Göttingen bereits im Vorhinein festgestellt, dass der Vorwurf der Durchführung unangemeldeter Versammlungen vermutlich nicht haltbar sein würde. Letztlich kam der Hauptprozess, für den aufgrund der Anzahl der Angeklagten und der Masse an Prozessbeteiligten eigens für mehrere hunderttausend D-Mark eine alte Reithalle zum Gerichtssaal umgebaut werden sollte, nicht zustande.

Die Verteidiger*innen handelten mit der Staatsanwaltschaft eine Vereinbarung für eine Einstellung der Verfahren aus, der eine Geldzahlung an soziale Projekte, ein über die Verteidiger*innen abzugebendes Statement zur künftigen Einhaltung des Demonstrationsrechts sowie den Verzicht auf die Rückgabe der im Rahmen der Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Dokumente zur Antifa M vorsah. Diese Unterlagen wurden 1996 als Teil der Vereinbarung in Form der erwähnten Beweismittelordner dem Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung übergeben.

In der ersten Hälfte des Jahres 2020 wurden die Beweismittelordner sowie ein Anhang von vier Boxen umgebettet und verzeichnet. Der Fokus lag neben der dauerhaften, sachgerechten Lagerung auf der Nutzbarmachung.
Hierbei war einerseits die inhaltliche Gliederung der nach Personen und Gruppenstruktur unterteilten Beweismittelordner und andererseits der Schutz der Persönlichkeitsrechte der ehemals Angeklagten von besonderer Bedeutung. Ersteres sollte eine leichte Nutzung nach Themenfeldern möglich machen, wobei weiterhin nachvollziehbar bleiben sollte, wie die Beweismittelordnerstruktur von LKA und Staatsanwaltschaft aufgebaut war. Bei letzterem sollten zwar die vermeintlichen Mitglieder der Antifa M in ihrer Anonymität geschützt werden, andererseits aber möglichst wenig gesperrt bzw. möglichst große Teile der Unterlagen öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies erforderte ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl und ein wiederholtes Durchflöhen des Materials.

Ergebnis dieser Arbeit ist ein Bestand von 28 Boxen, die zu großen Teilen bereits jetzt eingesehen werden können und die sowohl einen Einblick in die Arbeit und Struktur einer der bedeutsamsten Antifa-Gruppen der 1990er Jahre sowie des ersten  bundesweiten Organisationsbündnisses antifaschistischer Gruppen – dem AA/BO – ermöglichen.

(PB)