*Motto des ersten Bundeskongresses der Arbeitslosen 1982 in Frankfurt a.M.
Jede*r kennt sie und dennoch ist sie gleichzeitig recht unbekannt: Die Erwerbslosen- und Armutsbewegung.
Wie kann das sein, zumal es sich hier um eine soziale Bewegung handelt, die in ihrer Themenvielfalt und in ihrer Kreativität kaum zu übertreffen ist?
Eine abschließende Antwort werden wir in diesem Blogbeitrag wohl nicht finden, aber wir haben die Möglichkeit das Bewusstsein für diese bekannte unbekannte Bewegung zu schärfen.
Worum handelt es sich also?
Das übergeordnete Thema der Bewegung lässt sich mit „arbeitslos – nicht wehrlos“* gut beschreiben. Durch ein breites Themenspektrum von Sozialhilfe und den Verschärfungen durch die Änderung zu Hartz IV im Jahr 2005 über 1-Euro-Jobs, Existenzgeld, bedingungslosem Grundeinkommen und Zwangsarbeit in unserer Gesellschaft bis hin zu Themen wie der 35-Stundenwoche, Mietenpolitik und Gentrifizierung wird gezeigt, dass am Ende alle und nicht nur Arbeitslose von diesen Themen betroffen sind.
Dabei verstehen es die Akteur*innen, sich selbstbewusst und kreativ auszudrücken. Mit Namen wie „Gruppe Blauer Montag“, „die Überflüssigen“ oder „Müßiggangster: die glücklichen Arbeitslosen“, Zeitschriften und Ratgebern wie „Auszeit“, „der Drückeberger“, „Notgroschen“ und „der Stachel“ thematisieren sie ernste Themen ironisch bis humorvoll und versuchen sich von ihrer Situation nicht unterkriegen zu lassen und sich gegen die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu wehren. Ein großes Augenmerk liegt dabei immer darauf Betroffenen durch Beratung und Vernetzung zu helfen und dabei Strukturen der Selbsthilfe und Interessenvertretung aufzubauen. Es werden lokale und überregionale Kampagnen gestartet, Kongresse abgehalten und Demonstrationen organisiert. Das Frankfurter Arbeitslosenzentrum sowie viele kleinere lokale Arbeitslosenzentren und Stadtteilläden auch in zahlreichen anderen Städten bieten hierbei Anlaufstellen für Hilfesuchende und die, die sich aktiv in die Bewegung einbringen wollen.
Der Bestand beinhaltet 36 laufende Meter Akten mit einer Laufzeit von etwa 1977 bis 2015. Zum einen handelt es sich dabei um Materialien von Annerose Allex (*29. Dezember 1958), die v.a. in Berlin als sozialpolitische Wegweiserin in verschiedenen Kontexten und beim Runden Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen aktiv war, zum anderen um eine umfangreiche Sammlung des 1982 entstandenen Frankfurter Arbeitslosenzentrums (Falz e.V.), die von dessen Mitarbeiter*innen über Jahrzehnte mit sehr viel Engagement zusammengetragen wurde und dem Hamburger Institut für Sozialforschung zur Verfügung gestellt wurde, um einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu sein. Die beiden Teilbestände wurden zusammengeführt und in einer gemeinsamen Systematik im Bestand „Erwerbslosenbewegung“ aufgestellt, die internes und veröffentlichtes Material wie Korrespondenzen, Protokolle, Vorlagen und Rundschreiben, aber auch Flugschriften, Broschüren, Plakate und vereinzelte Transparente, sowie eine sehr große und vielfältige Sammlung von Zeitschriften umfasst.
Der Bestand befindet sich bereits seit 2015 Im HIS-Archiv und wird weiter ausgebaut. Die neueste Nachlieferung aus Oktober 2019 wird zur Zeit eingearbeitet.
(MG, 12.03.2021)
Weiterführende Literatur:
Rein, Harald, Hrsg., 2014. 1982 – 2013 Dreißig Jahre Erwerbslosenprotest. Dokumentation, Analyse und Perspektive. Neu-Ulm: AG SPAK Bücher. ISBN 978-3940865687
Mit Dank an
den Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit e.V.
die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Berlin
FALZ e. V.